Wer kennt es nicht? Freunde, Bekannte oder Verwandte überhäufen einen mit Tipps und gut gemeinten Ratschlägen, wie man mit einer Depression oder einer Borderline-Persönlichkeitsstörung umgehen sollte. Natürlich sind diese Ratschläge meist gut gemeint und sollen helfen, aber oft fühlen sie sich einfach nur überwältigend an.
In meinem Fall, weiß ich manchmal einfach nicht, wie ich auf diese gut gemeinten Lebensweisheiten reagieren soll. Es ist schwer, nicht als "Opfer" seiner Diagnosen wahrgenommen zu werden, ohne den Eindruck zu erwecken, dass mir die Ratschläge völlig egal sind. Man ist zwischen dem Wunsch, dankbar zu sein, und dem Gefühl der Überforderung gefangen. Denn ja, einige dieser Ratschläge sind hilfreich. Doch gerade wenn es einem sowieso schwerfällt, Gefühle zu ordnen und zu kommunizieren, sich abzugrenzen, etc. wird es besonders kompliziert.
Borderline als Beispiel ist voller Widersprüche. Emotionen schwanken von einem Extrem ins andere, und es ist schwer, diese in Worte zu fassen, geschweige denn jemandem zu erklären, der nicht selbst damit lebt. Oft wird mir geraten, langfristig zu denken – doch wie soll ich das, wenn der Moment so erdrückend ist, dass es kaum möglich scheint, den nächsten Tag zu überstehen? Gerade dann fühlt sich der gut gemeinte Ratschlag wie eine zusätzliche Last an.
Instagram und Co. machen es nicht einfacher. Die Welle an Selbsthilfe-Tipps, die einem täglich begegnen, trägt zur Überforderung bei. Natürlich will man sich verbessern, will etwas tun – doch wo anfangen? Was davon ist wirklich hilfreich, und was ist vielleicht sogar kontraproduktiv? Außerdem habe ich ja auch einen Arzt und eine Medikation, auf die ich mich verlasse. Mein Arzt kennt mich und versteht meine Diagnose; sollte ich wirklich jeden Trend ausprobieren, der mir in den sozialen Medien begegnet?
Ein weiterer Punkt, der mich regelmäßig in die Verzweiflung treibt, ist, wenn jemand minutenlang auf mich einredet und mir erklärt, wie ich alle meine Diagnosen „einfach so“ überwinden kann. Doch was viele nicht verstehen, ist, dass der Alltag für jemanden mit einer psychischen Erkrankung ein ständiger Kampf ist. Es ist nicht so, dass ich nicht kämpfe. Der Kampf gegen negative Gedanken, gegen die Achterbahnfahrt der Gefühle, gegen Antriebslosigkeit, oder gegen das "Damoklesschwert" Problemverhalten – all das erfordert mehr Energie, als man glauben mag. Und dennoch muss man oft nach außen hin eine Fassade aufrechterhalten, was zusätzlich zermürbend ist.
Am Ende des Tages fühlt man sich manchmal, als hätte man nie etwas gegen diese „inneren Dämonen“ versucht. Doch glaubt wirklich jemand, dass man sich Therapien wie CBASP, Ketamin Infusionen oder EKT-Behandlungen aus Spaß unterzieht? Oder dass man mehrmals im Jahr in eine Klinik geht, weil einem dort das Essen so gut schmeckt? Wer denkt, dass man noch nichts ausprobiert hat, der irrt sich gewaltig.
Manchmal ist es schon eine gewaltige Aufgabe, den Tag zu überstehen. In solchen Phasen kann selbst der gut gemeinte Rat zu regelmäßigem Sport oder einer gesunden Ernährung – beides zweifellos wichtig – einfach zu viel sein.